Samstag, 25. April 2009

Miss Marple im Antiquariat: Leona Rostenberg und Madeleine Stern zum Gedenken. Eine kleine Reise nach New York.

In dem kleinen Schaufenster rechts in der Mitte finden sich ab sofort ein paar Lektüretipps zu Büchern, die sich mit dem Thema "Antiquariat" und "Büchersammeln" beschäftigen; auf Deutsch und auf Englisch. Sie können direkt über dieses Blog bei Amazon bestellt werden. Der Handel mit "second-hand", "used", "rare" und "out-of-print-books" hat bekanntlich im angelsächsischen Raum eine weitaus bedeutendere und vor allem gesellschaftlich anerkanntere Geschichte als bei uns; dementsprechend umfangreicher ist das englische Buchangebot auf diesem Sektor. Stöbern lohnt demnach.

Frauen gelten in der wundersamen Welt der Antiquariate als exotische Wesen; ob´s wirklich nur am felhlenden Jäger- und Sammlergen liegt? Ein dankbares Thema für eine soziologische Doktorarbeit. Umso erstaunlicher die Geschichte zweier Freundinnen, die amerikanische Antiquariatsgeschichte schrieben und zu den bedeutendsten Persönlichkeiten dieser Branche in ihrer Zeit zählten:
Leona Rostenberg und ihre Geschäfts- und Lebenspartnerin Madeleine Stern; die beiden New Yorkerinnen aus deutschjüdischem Elternhaus, die ihren Handel mit "rare books" von ihrem gemeinsamen Wohnhaus in der Bronx, später in Manhattan, aus betrieben, legten mit über 80 ihre Doppelbiografie vor, auf diesem Blog ebenfalls im kleinen Schowcase zu finden; verschiedene Angebote der deutschen Übersetzung finden sich bei Amazon.

Ihren rund 50 Jahre währenden Erfolg führte das ungewöhnliche Paar nicht zuletzt - wie sie gerne auf Deutsch formulierten - auf ihr "Fingerspitzengefühl" und ihre detektivische Nase beim Aufspüren seltener Buchkleinodien zurück, wenn Kollegen länsgst aufgegeben hatten; beide starben vor wenigen Jahren mit über 90. Im amerikanischen Original heisst ihr von der Kritik hochgelobtes autobiografisches Werk
"Old Books Rare Friends"; ich hab´s noch nicht gelesen, werde das aber demnächst nachholen; dann gibt es an dieser Stelle eine kleine Rezension.

Typisch - und so leider ganz anders als bei uns - für britische und amerikanische Antiquare zumindest des alten Schlages in der obersten Liga: das Paar kaufte und verkaufte nicht nur rare Bücher, sondern war nahezu enzyklopädisch hoch gebildet, verfasste Abhandlungen, gelehrte Studien und Aufsätze und schrieb historische Bücher; sie lebten, vom ersten Kennenlernen als Studentinnen an der Uni bis zum Lebensende, miteinander mit, in und durch ihre Bücher, spürten verschollenen Werken hinterher, hefteten sich erfolgreich wie eine Art Miss Marple der Bücherwelt an die Fersen unerkannt unter anderem Namen Parallelwerke schreibender Bestsellerautoren vergangener Zeiten und lösten in der Fachwelt und bei ihren treuen Kunden Entzücken aus über ihre erfrischend anderen und fantasievollen Kataloge. Beiden eilte der Ruf voraus, alle Bücher in ihrem Bestand selber gelesen zu haben (ein Ehrgeiz, den ich teile, jedoch nur bei Büchern, die mich anziehen, verwirkliche; übrigens unabhängig von ihrem derzeitigen Marktwert).

Zumindest in New York und Umgebung gehören die beiden bücherverrückten Ladys bis heute, wie die ausführlichen Nachrufe belegen, zum kulturellen Gedächtnis der Stadt und wurden sogar zu Pop-Ikonen: als - man staune -
Musicalfiguren. "Wir sind Dinosaurier" sagen bzw. singen die beiden da an einer Stelle; und so wird es sein. Musicals über Amazon-"Bookdealers" wird es kaum geben, oder? Ich hätte was darum gegeben, die beiden Bookworm-Dinos noch kennen gelernt zu haben.

Das Musical Bookends (Buchstützen) wurde übrigens vor zwei Jahren von einer kleinen Theatertruppe am Broadway auf die Bühne gebracht und behandelt im wesentlichen die Anfangsjahre der beiden jungen Ausnahmefrauen mit Büchern statt Rosinen, Party und Männern im Kopf, und das in den wilden 1920er Jahren. Ausgedacht hat sich den auf den ersten Blick für ein Musical reichlich ungewöhnlichen Plot Katherine Houghton, eine Nichte von Hollywood-Ikone
Katherine Hepburn, die mit den beiden Frauen befreundet war; die New York Times berichtete, leicht irritiert, amüsiert und auch gerührt ausführlich. Irgendwie kurios ist es ja in der Tat, zwei kauzige Antiquarinnen als singende und steppende Musicalheldinnen zwischen Bücherregalen;-).

Ohne Amazon hätte ich Mady und Leona und ihre bemerkenswerte Lebens- und Buchgechichte wohl nie im Leben aufgestöbert: die zwei sind, trotz der auch auf Deutsch erschienenen Biografie, bei uns nahezu unbekannt: durch Zufall stieß ich bei der Zusammenstellung passender Bücher für ein Widget auf ihre Biografie, wurde neugierig und nahm die Spur auf: das Trüffelschwein-Gen teile ich nämlich mit den zwei Ladys; das Ergebnis füllt diesmal dieses Blog - ich hoffe zum Vergnügen meiner Leser; mir hat die kleine Reise nach New York zumindest Spaß gemacht. Und auch ein bisschen sentimental: die Zeiten sind vermutlich endgültig vorbei.

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