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Sonntag, 31. Mai 2009

Steiler Sinkflug für Amerikas Buchhandel, Grosser Bahnhof für arabische Verleger und ein Fest für Darwin in London: Buchmessen New York und London.

Article in German about concluded BEA Book Expo America & upcoming London Antiquarian Bookfair. Who´se in need of an English translation shouldn´t hesitate to contact me via email. thank you.

In New York ist soeben die diesjährige BEA, die amerikanische Büchermesse Book Expo America, zuende gegangen. Die versammelte US-Buchindustrie machte einen deprimierten Eindruck, so amerikanische Medien. Mal gerade eben 1.500 Aussteller bzw. Verlage - erschreckend wenig für das Riesenland USA inkl. Gastnationen - und gut 500 präsentierte Autoren, dazu Buchhändler, Literaturagenten und akkreditierte Journalisten hatten sich am Hudson versammelt: diesmal nicht, wie in den Vorjahren noch üblich, zu opulenten Dinnern mit Menüfolgen, sondern schlicht zu Cocktails. Um rund 47 Prozent seien die Anmeldungen von amerikanischen Verlagen zurückgegangen, so ein Sprecher; die Giganten wie HarperCollins und Simon & Schuster waren allerdings wie immer standhaft und pflichtbewusst an Bord. Im Gegensatz zum munter florierenden Handel mit E-Books und Audio-Books sei der Absatz des auf Papier gedruckten Buchs im rapiden Sinkflug begriffen.

Und so nimmt es nicht wunder, dass Kindle und Konsorten, in der Vergangenheit von den bibliophilen Machern naserümpfend in Seitengängen der Ausstellungsgeländes versteckt, diesmal im Haupt-Showroom wie das Allerheiligste präsentiert wurden. Nach den Erhebungen des amerikanischen Datendienstleisters für die Buchindustrie, Nielsen BookScan, sind die üblichen Verdächtigen, der unverwüstliche Harry Potter von Miss Rowling und der Kirchenwahnkitsch aus der Feder eines gewissen Dan Brown, weiterhin marktbeherrschend und konnten den Karren noch einmal aus dem Dreck ziehen; wie lange noch?

Grosse, international bekannte Autorennamen fehlten auf der diesjährigen BEA; Langweiler aus dem Ressort Blümchen- und Wellnessautoren beherrschten die Szenerie: damit lässt sich vermutlich in ländlichen Regionen vor allem bei weiblichen Lesern noch richtig gut Absatz machen. Von besonderem Interesse soll auch der geballte Auftritt am westlichen Markt operierender arbischer Verleger vorrangig aus Ägypten, aber auch aus dem Irak, dem Libanon und Abu Dabi gewesen sein; das arabische Emirat Abu Dabi, wo auch der Präsident des arabischen Verlegerverbandes sein Büro hat, ist alljährlicher Austragungsort einer international ausgerichteten, an Zuspruch wachsenden und sehr erfolgreichen Buchmesse, die in diesem Jahr auch mit deutscher Beteiligung im Land deer Ölmilliardäre bereits im März glanzvoll über die Bühne ging; Tendenz steigend und inzwischen auch mit angeschlossener Antiquariatsmesse. Kommt das Heil für den kranken Mann im Buchregal aus dem Morgenland? Sieht fast danach aus.

Während die NeuBuchmessen ausser den arabischen und vielleicht noch asiatischen schrumpfen, expandieren die internationalen Antiquariatsmessen. Zumindest nach eigenem Bekunden die anstehende in London. Die besticht vor allem durch einen phantasievoll gestalteten Webauftritt. Rund 160 akkreditierte Antiquare, Vertreter von Fachzeitschriften und allgemeiner Presse, Standesorganisationen, Dienstleistern und Zulieferern wie Buchbindern werden sich vom 4. bis 6. Juni im Olympiaturm an der quirligen Hammersmith Road im Herzen von London ein berufliches Stelldichein geben. Für eine Antiquariatsmesse ist das viel. Die traditionsreiche Messe in der Mutterstadt des Handels mit antiquarischen Büchern überhaupt steht heuer ganz im Zeichen von Charles Darwin: dessen 200ster Geburtstag und gleichzeitig 150ster Erscheinungstag seines Hauptwerk zur Entstehung der Arten wird in diesem Jahr nicht nur an der Themse mit allen Ehren begangen.

Rare und sehr gut erhaltene Originalausgaben von Darwins Werken sowie Original-Quellen stehen bei finanzstarken Sammlern extrem hoch im Kurs: so steht bei AbeBooks ein original handgeschriebener und signierter Brief des Vaters der Evolutionslehre aus dem Jahr 1876 für immerhin 12.500$ (in Euro sind es etwas weniger) zum Verkauf; rare Originalausgaben seines Hauptwerks On the Origin of Species sind für um die 100.000 englische Pfund am Markt (hier sind es in Euro sogar noch etwas mehr).

Schirmherr in London ist aus gegebenem Anlass der Journalist und Historiker Andrew Marr, ehemaliger Herausgeber des linksliberalen Independent und eine Art hochkarätigerer Guido Knopp der britischen BBC: für den Sender hat er im Rahmen einer Reihe zur britischen Geschichte auch Beiträge zu Charles Darwin verfasst. Auch der Wiener Antiquar Norbert Donhofer, Vorsitzender des Verbandes österreichischer Antiquare, ist in London prominent vertreten und wird auf der offiziellen Website der Antiquariatsmesse exponiert vorgestellt: mit einem Buch, wie die Briten mit dem für sie typischen schwarzen Humor süffisant anmerken, das hervorragend zur gegenwärtigen Wirtschaftskrise passe: Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations; ein Klassiker.

Norbert Donhofer erläutert auf seiner übrigens sehr ansprechend und persönlich gestalteten Website anschaulich, für welche Art rarer Bücher er anspruchsvolle Kundschaft vorrangig sucht und findet: Naturwissenschaften und Illustrata gehören neben österreichischen Regionalia ebenso dazu wie Psychoanalyse und Musik und die besonders sinnlichen und daher heiss begehrten Autographen und Manuskripte. Und, wie´s scheint, der immergrüne "Moralapostel des Eigennutzes" (laut Manager-Magazin) Adam Smith.

Das Antiquariat Donhofer liebt es zwar klassisch, ist aber dem Internet durchaus nicht feindlich gesinnt: auch bei AbeBooks haben die Wiener längst eine eigene Homepage; und bieten dort durchaus auch solide Bücher zur Geschichte der Fotografie für 12 bzw. 22 Euro an; was sie noch sympathischer macht. Viel Erfolg auf der London Antiquarian Book Fair!

Dienstag, 12. Mai 2009

Von amerikanischen Book Scouts mit elektronischen Ellbogen und einem Mut in Wien, 5. Bezirk. Interkontinentale Streifzüge

Auf Deutsch: interessante Links zum Thema dieses Blogs:

In den USA ist die Schnäppchenjagd auf geheime Schätze in Buchform vor bei allem bei Charity- Buchbazaren und Bibliotheksausverkäufen wesentlich verbreiteter und erfolgversprechender als in Deutschland. Riesige Mengen gebrauchter Bücher wechseln dort regelmäßig den Besitzer. Diese Buchflohmärkte mit gemeinnützigem Charakter sind in Amerika wichtiger Teil der Alltagskultur. Zudem bringen sie warmen Geldregen in die wie bei uns meist klammen und anders als bei uns fast völlig auf Sponsoren und private Spender angewiesenen Kassen der lokalen Kultur-Multiplikatoren und ehrenamtlich rührigen helfenden Hände karikativer Organisationen vor Ort - egal ob kirchlich, kommunal oder ehrenamtlich-bürgerbewegt.

Zwiespältig sind die Gefühle angesichts des zunehmend aggressiven Treibens hauptberuflicher sogenannter Book Scouts bei diesen traditionell eher geruhsam-bibliophilen Veranstaltungen: vom Typus her gleichen diese Buchkäufer und -verkäufer in Personalunion in etwa den auch bei uns naserümpfend als Antiqure dritter Klasse angesehenen Buchtrödlern, wie sie zunehmend auch Plattformen wie Amazon und AbeBooks bevölkern und mit ihren Ständen auf Flohmärkten anzutreffen sind;
Book Scouts stehen anders als seriöse Antiquare - denen sie nicht selten zuarbeiten - ganz unten auf der Hierarchie des Gebrauchtbuchhandels in den USA; rauhbeinige Gesellen - meist sind es Männer - einer sozialen Subkultur aus College-Dropouts und halbgebildeten "Lebenskünstlern" ; angesichts der Wirtschaftskrise betätigen sich jedoch auch immer mehr klomplette Mittelschichtfamilien mit Geldproblemen arbeitsteilig auf diesem Gebiet des augenscheinlich schnell zu machenden Geldes; von Büchern verstehen diese "Händler" in der Regel nichts.

In jüngster Zeit tritt der amerikanische Book Scout diesen Schlages ausgerüstet mit brandaktueller Scanner-Software auf den Plan und räumt kräftig ab, bevor der echte Bücherfreund und -sammler überhaupt zum Zuge kommt; Bibliotheksangestellte und ehrenamtliche Mitarbeiter sind zunehmend genervt und wehren sich: wie in der Zwillingsmetrople Minneapolis-St. Paul in Minnesota, so ein interssanter Artikel von Laurie Blake in der lokalen Star Tribune; ausgegraben hat diesen Artikel - wieder einmal mehr - Steve Weber; auf dem Presse-Foto sehen wir einen dieser Book Scouts in Aktion und mit entsprechendem T-Shirt (das er vermutlich auch vertickt); von aggressiv auftretenden Kollegen, die in der Nacht vor Eröffnung der Buchbazare im Auto kampieren und im Morgengrauen die besten Schnäppchen säckeweise wegschleppen, berichtet auch ein frustrierter Bücherfreund aus Brooklyn, NYC auf diesem Forum - und über Schlussverkaufkampfstimmung bei einem kirchlichen Bücherausverkauf: "They were frantic, grabby and all elbows".

Die aggressiv auftretenden und elektronisch hochgerüsteten Bücherjäger scheinen ein zunehmendes Problem zu sein - und werden von den Mitarbeitern der Schnäppchen-Events zwiespältig beurteilt: einerseits will man Sammler und Buchfreunde aus der Nachbarschaft nicht verprellen; andererseits braucht man das rasch eingenommene Geld der stets sackweise einkaufenden Scouts. Und so werden verschiedene Strategien entwickelt, um das Problem für alle Seiten befriedigend in den Griff zu bekommen: Zutritt für die Scouts erst ab 12 Uhr mittags, Einkassieren einer Gebühr von 20$ von kommerziellen Käufern mit der Möglichkeit eines Vorkaufsrechts am Tag vor der offiziellen Eröffnung u.a.. Die Kommentare und Beiträge dazu auf den oben verlinkten Seiten sind aufschlussreich und belegen, wie sehr das Problem allen Betroffenen auf den Nägeln brennt und die Gemüter erhitzt.

Einen Satz, der sich sinngemäß in Varianten wie ein roter Faden durch die engagiert geführten Diskussionen zieht, sollte sich der "aspiring book scout" mit der Elektronik in der Tasche allerdings dick anstreichen: der wirklich erfolgreiche Jägersmann (oder -frau) in Sachen antiquarischer Bücher zum Schnäppchenpreis auf Bazaren, in Charity Shops und auf Bücherflohmärkten braucht auch in Amerika weder ScoutPal - so sieht das Ding übrigens aus - noch ASellerTool , sondern Erfahrung und die richtige Nase eines Trüffelschweins. Das schnappt dann beherzt im richtigen Augenblick zu, wenn der elektronische Jäger immer noch fasziniert aufs Display seines Apparates stiert; und die ganz großen Nuggets lassen sich mit dem Scanner ja eh nicht anpeilen, zum Glück. Obwohl - rumspielen mit so einem Ding würde ich gerne schon mal;-).

Eine schöne Meldung von der anderen Seite des facettenreichen Handels mit Büchern kommt aus Österreich; genauer aus Wien, 15. Bezirk, Rudolfsheim-Fünfhaus, ein multikulturell geprägter ehemaliger Arbeiterbezirk mit einem hohen Anteil von Zuwanderern vor allem aus dem ehemaligen Jugoslawien; dort hat die ehemalige Verlagsrepräsentantin Ulla Harms etwas Unerhörtes gewagt: zusammen mit einer Schar mutiger Kolleginnen eine kleine, unabhängige Buchhandlung gegründet: die erste und allereinzige im Bezirk, heisst es; schlicht Buchkontor nennt sich das Unternehmen in einem Jugendstilhaus am Kriemhildplatz. Am 15. Mai, um 15 Uhr, ist Eröffnung. Hut ab und Gratulation, Frau Harms! "Es gibt sie noch, die enthusiastischen Buchmenschen, die ein Büro suchen und eine Buchhandlung finden!", meint Vienna Online, das diese mutmachende Geschichte veröffentlicht. Da Frau Harms, wie zu lesen ist, beste Beziehungen zu Wiens Verlagen pflegt, stehen die Chancen gut. Good luck! Zumal ja auch die sehr spezielle österreichische Variante der Buchpreisbindung ins Wanken gerät.....