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Dienstag, 5. Mai 2009

an update: Amazon nimmt den angekündigten Gewerbezwang für den Verkauf antiquarischer Bücher mit Sammlerwert wieder zurück!

un update: Amazon rudert bei den neuen Zulassungsbedingungen für Anbieter "echter" antiquarischer Bücher mit Sammlerwert mit "collectible"-Status teilweise zurück. Nach massiven Protesten der Verkäufer muessen nun doch kein Gewerbe nachgewiesen werden und keine 40$ monatlich zwingend gezahlt werden, um solche hochpreisigeren Bücher überhaupt einstellen zu können. Noch nie zuvor habe er erlebt, dass Amazon eine Änderung innerhalb der hauseigenen Handelspolitik so schnell wieder zurückgenommen habe, meint Steve Weber, auf dessen Artikel dieser Blogbeitrag fusst, mit entsprechendem Link zu Amazon.

Offenbar rumort es bei Amazon gewaltig hinter den Kulissen, wohl auch was die Abgrenzung zu AbeBooks betrifft, die sich die Amerikaner ja erst Ende letzten Jahres bewusst als konkurrierende Laus in den Pelz gesetzt haben. Sie werden gewusst haben, warum. Wetten, dass sich da noch einiges tun wird? - Kassandra muss man nicht heissen, um windige Zeiten für den bislang eher gemütlich im Kielwasser des aufgebretzelteren Mutterschiffs vornehm und still vor sich hindümpelnden AbeBooks-Nachen vorauszuahnen.

Wie gesagt, sind das bislang ausschliesslich amerikanische Angelegenheiten. Abwarten, was das für Amazon Deutschland bedeutet. Jedenfalls nimmt Amazon - anders etwa als das schnodderige und arrogante Ebay - Feedback von seinen Verkäufern und Händlern durchaus ernst und an.Wenn´s dann noch so richtig mit der Kommunikation klappt, um so besser.

Montag, 4. Mai 2009

Hochpreisiges bei AbeBooks, Godlfunde in Edinburgh und der letzte Band in Kassel. Handel mit Büchern online, klassisch und querbeet. Ein Streifzug.

Auf Deutsch: heute wieder ein paar lesenwerte Links:

Das ursprünglich in Kanada beheimatete Online-Marktplatzangebot für gebrauchte, antiquarische und rare (auch neue) Bücher, AbeBooks, hat ein liebevoll und engagiert gestaltetes Blog von großer Themenvielfalt, das nicht nur den AbeBooks-Kunden interessiert. Da nicht alle dort verfassten Beiträge für Leser ausserhalb des angloamerikanischen Buch- und Lesekulturkreises spannend sind, liste ich dieses Reading Copy Book Blog nicht in meiner Blogrolle, sondern ganz unten auf der Seite in der Linkliste. Interessant auch für internationale Leser ist die Präsentation der spektakulärsten AbeBooks-Verkäufe im Monat April 2009:

Spitzenreiter ist ein Klassiker des nordamerikanischen schwul-lesbischen Literaturkanons: Imre: A Memorandum, die Geschichter einer Liebe unter Männern in Romanform. Beachtliche 12000$ brachte die rare, im Privatdruck erschienene Erstausgabe aus dem Jahr 1906, dem Anbieter ein. Der Autor, Edward Irenäus Prime-Stevenson, der unter dem nom de plume Xavier Mayne schrieb, gilt bis heute unter amerikanischen homosexuellen Literaturfreunden als Ikone und wird geschätzt wegen seiner einfühlsamen und sensiblen Schilderung einer im k.u.k.- Ungarn angesiedelten Liebesgeschichte unter Männern; der Roman wird bis heute in neuen Ausgaben gedruckt und ist u.a. bei AbeBooks und bei Amazon zu erschwinglichen Preisen (unter 20$) erhältlich. Prime-Stevenson, über dessen weiteres literarisches Wirken sonst wenig bekannt ist, starb 1942 mit Anfang 80 in seiner Wahlheimat im schweizerischen Lausanne.

Interessant auch ein Blick auf die Top Ten der am teuersten verkauften Bücher bei AbeBook im vergangenen Monat insgesamt: zu nennen wären u.a. eine Erstausgabe von William Faulkners Roman Sartoris aus dem Jahr 1929 (5000$) und eine 24bändige Biografie Winston Churchills (über 5000$) in einer Auflage aus jüngerer Zeit sowie seltene Erstausgaben aus den Bereichen Militärgeschichte, Physik und Botanik sowie das Werk eines islamischen Rechtsgelehrten aus dem 13. Jahrhundert (brachte trotz fehlender erster Blätter immerhin noch 4000$). Unter den hochkarätigsten Verkäufen im gesamten Jahr 2008 findet sich auch eine Erstausgabe einer englischen Übersetzung von Grimms Märchen für immerhin 11000$; hier die gesamte Liste; auch eine originale Schreibmaschine von George Bernard Shaw gehört dazu: für knapp unter 8000$ fand sich ein kauffreudiger Fan des irischen Autors.

Das meiste Geld bringen allerdings nach wie vor von der Autorin handsignierte Erstausgaben der Harry Potter-Bände aus der Feder von Joan K. Rowling; natürlich nur im englischen Original.

Eine sehr schöne, laufend aktualisierte Seite, die sich ausschließlich dem raren Buch, seinem Sammeln und seinem Kauf und Verkauf widmet, betreibt Lee Jay Stoltzfuß: Rare Book News; Der Herausgeber ist Antiquar in Pennsylvania und betreibt auch eine wunderschöne und äußerst spannende Seite zur Geschichte der Buchdruckerkunst in seinem Heimatcounty: The Black Art. A History of Printing in Lancaster County, PA..

Die täglich aktualisierten Rare Book News bieten neben feuilletonistisch aufbereiteten, auch den Laien ansprechenden Fachartikeln auch Kurioses: so etwa die Story über die Mitarbeiterin eines christlichen Charity Shops (in etwa deutschen Diakonieläden entsprechend) in Edinburgh, die in einem anonym vor ihrer Türschwelle abgegebenen Spendensack mit gebrauchten Büchern zwei Schätzchen fand: wertvolle Erstausgaben aus den Jahren 1796 bzw. 1803, darunter ein Buch aus der Feder der bekannten schottischen Poetin Anne Grant. Die Bücher sollen nach Einschätzung eines Edinburgher Antiquars je um die 1000 englische Pfund (in Euro etwas mehr) wert sein: jetzt warten die Raritäten auf ihren hoffentlich erfolgreichen Verkauf für karitative Zwecke beim anstehenden Kirchenfest in der schottischen Bücherstadt.

Die kleine erstaunliche Geschichte findet sich im Original hier. Einen solchen Fund habe ich bei meinen zahlreichen Streifzügen durch Diakonie- und andere deutsche Charity Shops, wo man im kleineren Rahmen tatsächlich gelegentlich einmal für sehr kleines Geld auf Gold stößt, bislang noch nicht gemacht.

Zum Schluss ein Artikel aus der Lokalausgabe Kassel der Hessischen Allgemeinen Zeitung, der traurig stimmt und das leider derzeit in Deutschland so typische unrühmliche, sang- und klanglose Abtreten eingesessener Buchhandlungen klassischen Stils an einem Kasseler Beispiel beschreibt: die Buchhandlung Vaternahm, für Generationen von Bücherfreunden in der nordhessischen Metropole ein Begriff für Qualität und gerühmt wegen ihrer gutsortierten Kinder- und Jugendbuchabteilung, schliesst nach rund 50 Jahren vor Ort ihre Pforten; ein weiteres, ähnlich traditionsreiches Unternehmen, Lometsch, hatte bereits im vergangenen Jahr das letzte Buch aus dem Regal genommen; jetzt heisst es "Schlussverkauf" zu Schnäppchenpreisen in der allerletzten "kleinen" Buchhandlung in Kassel; Grund: Insolvenz. Eigentlich nicht so glücklich für die Stadt der Kultur und Kunst (Stichwort: "documenta"), die sich ausgerechnet auf zwei Ikonen der deutschen Literatur berufen kann: die Brüder Grimm. Das ist nun irgendwie doch peinlich und nicht nur Kasseler meinen: das musste nicht sein. Nicht immer gehen solche Entwicklungen auf das Konto des bösen Vielfrass Amazon; manchmal sind sie schlicht hausgemacht. Hier der Artikel über ein trauriges letztes Kapitel. Der Run auf die Regale soll gigantisch gewesen sein. Bis Ende des Monats können Schnäppchenjäger noch in Kassel an der Oberen Königstraße auf Beutezug gehen. Andere Läden der nordhessisch-südniedersächsischen Mini-Kette Vaternahm bleiben laut Aussage der Insolvenzverwalter bis auf weiteres erhalten; und die Website gibt´s natürlich auch noch; wenn die inhaltlich und optisch altjüngferlich-biedere Langweiligkeit und Verstaubheit dieses Webauftritts alledings symptomatisch sein sollte, dann wundert mich das unrühmliche Ende eher nicht....

Samstag, 2. Mai 2009

Neue Definition des "Sammlerstücks" im antiquarischen Angebot und Kooperation mit Hermes. Amazon rüstet auf.

Auf Deutsch: :

Der unermüdliche Guru des antiquarischen Handels im Internet, Steve Weber, weist auf eine Neuerung für Amazon-Verkäufer hin, die aufhorchen lässt: schärfere Bedingungen für das Einstellen in der Bewertungsgruppe "collectible" (entspricht unserem "Sammlerstück"); hier der Link zu Steves Seite. Als "collectible" im strengeren Sinn stuft Amazon u.a. signierte Bücher (vom Autor, vom Übersetzer), Erstausgaben und Erstdrucke sowie sehr seltene Bücher oder Bücher mit besonderen Alleinstellungsmerkmalen ein (etwa ein besonderes Cover); Massenware, Remittenden, Mängelexemplare und Restposten sowie ausgemusterte Bibliotheksexemplare und auch Buchclubausgaben sind ab sofort ausdrücklich von dieser "de luxe"-Kategorie ausgeschlossen; den oft irregeleiteten Kunden wird´s freuen. Zugelassen sind als Anbieter für diesen VIP-Bereich auf dem amerikanischen Amazon Marketplace seit dem 29. April nur noch angemeldete Verkäufer mit Gewerbe, und zwar ausschließlich auf Antrag online: erst wenn dieser nach Prüfung genehmigt ist, dürfen neben dem üblichen Angebot auch hochwertige Sammlerexemplare gelistet werden; allen anderen Verkäufern wird die "collectible"-Funktion verweigert.

Die Verkäufer sind ab sofort angehalten, in der gehobenen Kategorie ihre Angebote äusserst genau und detailfreudig zu beschreiben, auch den kleinsten Defekt zu benennen und die Klassifizierung von "akzeptabel" bis "wie neu" korrekt vorzunehmen ohne auch kleinere Mängel wegzumogeln. In den Kreis dieser erlauchten Luxus-Verkäufer aufgenommen wird nur, wer eine sehr gute Bewertungsbilanz über einen längeren Zeitraum vorzuweisen hat; eine eigene feste Website oder gar ein "echtes" Ladengeschäft neben dem Online Shop könnten den Zugang erleichtern, meint Weber, ist sich diesbezüglich aber nicht sicher; die Bewerbung erfolgt per Klick, die persönliche Kommunikation mit Amazon soll dabei jedoch gleich null sein (so werden etwa für eine Ablehnung keine Gründe benannt); näheres zum Procedere auf der
Amazon-Seite. Die Wartezeit bis zur Freischaltung soll ca. eine Woche dauern; bereits bestehende, nicht den Kriterien entsprechende "collectible"-Listings dürfen bis Anfang Juni unverändert eingestellt bleiben, ab dann gelten ausschließlich die neuen Richtlinien.

Ebenfalls neu in dieser Kategorie: es können ab sofort auch Bücher ohne ISBN, die nicht bei Amazon gelistet sind, etwa sehr alte oder Privatdrucke, von Hand gelistet werden (mit genauen bibliografischen Angaben); bei zurückgesandter Ware muss innerhalb von 30 Tagen dem Kunden der Kaufpreis erstattet werden.

Nach Steve Webers Einschätzung verfolgt Amazon hier zwei neue Geschäftsstrategien: Ausbau des seriösen, hochpreisigen "echten" Antiquariathandels, der auch Sammler und investitionsfreudige Käufer anlocken will; andererseits die Unterbindung des marktschreierischen und wettbewerbsverzerrenden Billiger Jakob-Treibens nerviger "Mega-Seller", die sich mit ihrem Angebot durch "Sammlerstück"-Listings von der Masse abzuheben versuchen; über diese Praktiken haben sich, ist zu hören, potentielle Kunden und konkurrierende Anbieter - zu recht - gehäuft bei Amazon beschwert.

Letztendlich heisst das aber auch: Amazon bläst ab sofort unverblümt zum direkten Angriff auf den hochkarätigen Antiquariatshandel im engeren, klassischen Sinn; was das für die erst im Jahr 2008 gekaufte Tochter
AbeBooks, im Kern bislang zuständig für diesen Bereich, bedeuten mag, mag sich jeder gerne ausrechnen. Die, die es immer schon gewusst haben wollen, mögen sich jetzt die Hände reiben.

Wenn zunehmend, wie deutlich zu beobachten, bei Abebooks ungehindert Billig-Buchramsch verkauft werden darf und bei Amazon nun auch millionenteure nichtgelistete Bibeln aus dem 16. Jahrhundert, dann stellt sich die Frage nach dem Sinn zweier solcher Familienmitglieder unter einem Dach.....

Ab wann die neuen Regelungen auch für Amazon Deutschland gelten, ist mir nicht bekannt; noch können bei uns auch sogenannte "Sammlerstücke" ohne vorherige Anmeldung, Prüfung und Einhaltung strenger Zugangskriterien gelistet werden; kommen wird die neue Amazon-Zeit für antiquarische Bücher bei uns auch.....

Im Prinzip begrüße ich die Neuregelung: die Versuchung, bei massenhaft angebotenen Büchern auf das auffälligere "Sammlerstück" auszuweichen, ist zugegeben groß, auch wenn das gute Stück eine "seltene" Bertelsmann-Buchclubausgabe und somit im Prinzip für den Sammler völlig wertlos ist. Meiner Meinung nach müssten die Regeln noch strenger sein: 0,1 Cent-Angebote, Mängelexemplare, ausgemusterte Bibliotheksausgaben und Buchclubangebote gehören vielleicht auf den Flohmarkt und nach Ebay, aber nicht auf einen seriösen Marktplatz wie Amazon; ob sich andererseits die "gehobene" Klasse unter den echten Antiquaren auf Dauer mit einem derart schnodderigen Kommunikationston ködern und gängeln lässt, bleibt abzuwarte. Etwas mehr Freundlichkeit wie bei den kommunikativeren AbeBooklern hätte sich die zivilisierte Buchwelt schon gewünscht; ganz so behäbig wie
hier muss es ja nun auch nicht sein;-).

Hat sicher schon die Runde gemacht: Amazon Deutschland verschickt seine Pakete ab sofort nicht mehr exklusiv mit DHL, sondern auch mit der Quelle-Tochter Hermes; näheres bei golem.de, auf einem Bericht der WELT fussend. So ganz zu trauen scheinem dem blauen Braten die deutschen Amazon-Kunden allerdings noch nicht, wie auf folgendem Amazon-Forum zu lesen.

Der deutsche Kunde ist halt ein Gewohnheitstier und neigt dazu, Neuem erst einmal prinzipiell mit Misstrauen zu begegnen. Zumal Hermes, warum auch immer, seltsamerweise der Ruf anhängt, unzuverlässig, langsam und irgendwie unseriös, da privat zu sein; DHL verbinden die meisten von uns wohl immer noch mit der guten alten staatlichen Post mit dem gelben Posthorn, Kindheit eben, und das kann ja nicht schlecht sein. Was natürlich viel mit Nostalgie und wenig mit Fakten zu tun hat.

Persönlich habe ich mit der Versandabwicklung über Hermes gute Erfahrungen gemacht. Schwere Buchsendungen verschicke ich - wozu ich ja bei Amazon Marketplace die Wahl habe - prinzipiell mit Hermes: das Gewicht spielt hier keine Rolle, da die Versandkosten anders als bei DHL nur nach den Maßen, nicht nach den Kilos berechnet werden. Bei richtig dicken Brocken oder umfangreichen Bücherpaketen würde ich bei DHL, die gerade beim Gewicht saftig abkassieren, in einen Bereich rutschen, wo sich der Versand für kleine Buchverkäufer nicht mehr lohnte. Und bei kleinen, aber mit teurem Inhalt gefüllten Sendungen freut es den Bücherfreund, wenn sein gutes Stück mit Hermes auch im Kleinformat bis zu 500 Euro versichert ankommt (bei DHL erst ab dem teuren Paketformat, nicht beim günstigeren Päckchen möglich). Angekommen ist von mir mit dem Hermes-Boten Losgeschicktes bisher immer, sogar in Polen. Dass ich dabei den Versandverlauf online verfolgen kann, gibt mir und dem wartenden Käufer ein Gefühl der Sicherheit.

Sehr angehem auch, dass ich mein Bücherpakete am Büdchen an der Ecke abgeben kann, und zwar ganztägig auch am Wochenende, bis der Kiosk um 21 Uhr schliesst. Wirtschaftlich angenehmer Nebeneffekt: seit an immer mehr Kiosken, Schlüsseldiensten, Reinigungen und anderen kleinen Geschäften hier bei uns in der Rhein-Ruhr-Region (und sicher auch anderswo) die blauen Hermes-Schilder leuchten, konnte so mancher Ein-Mann-Betrieb die drohende Schliessung abwehren und seine Existenz mithilfe der Quelle-Tochter sichern. Bleibt zu wünschen, dass die allgemeine Akzeptanz von Hermes bei "Otto Normalverbraucher" durch die Zusammenarbeit mit Amazon wächst. Was auch letztendlich DHL zugute käme: Konkurrenz belebt bekanntlich dass Geschäft - Unzuverlässigkeit und vor allem eine völlig unübersichtliche und nicht nachvollziehbare Preispolitik wird sich DHL (und auch die Post) ab sofort nicht mehr leisten können.

Morgen stelle ich wieder ein antiquarisches Buch aus meinem Bestand vor: eine ungewöhnliche Biografie aus Island.

Dienstag, 28. April 2009

Participation Age, Second Life und ein Guru aus dem Online-Antiquariat: Neue Wege im Bücherland.

Wenn ich gelegentlich auf dem Flohmarkt um die Ecke nach Büchern stöbere, nervt mich stets der türkische Billige Jakob für Obst und Gemüse, der kurz vor Toresschluss die letzten schrödeligen Erdbeeren aus Litauen für 50 Cent das Pfund an den Mann bringen will: "Billig, billig, billig! Angebot, Angebot, Angebot!" schreit er mit heiserer Stimme gebetsmühlenartig in der Warteschleife, und die KundInnen strömen und schlagen sich um die Plastikschälchen mit zweifelhaftem rotzerquetschtem Inhalt. Er macht das zwei Mal die Woche (und an den anderen Tagen vermutlich andernorts), endet immer bei "billig, billig, billig" und 50 Cent und muss, da er ja immer wieder mit gigantischen Obstbergen wiederkommt, dennoch seinen Schnitt machen.

So ähnlich muss es den Kollegen von der Verpackungsspekulantenmafia bei Amazon und Co. gehen, die für 0,1 Cent "verlagsfrische" Bücher im Internet verhökern, natürlich im "luftgepolsterten Umschlag"; auch sie werden ihren Schnitt machen mit Masse statt Klasse - anders als der Kollege vom Gemüsestand, bei dessen Ware der Kunde den Gammel ja deutlich sieht, verschweigen sie selbstredend gerne die Mängel ihrer "frischen" Exemplare. Die Käufer solcher Angebote sind, scheint´s, ohnehin eher an den wattierten Umschlägen und an den Clips interessiert als am Inhalt. Warum ich jetzt gerade an diese "Kollegen" (gerne treten sie unter den klassenspezifischen Namen wie "Mannis Bücherkiste" oder "DasBilligeBuch" in Erscheinung) denken muss, weiss ich auch nicht; vermutlich, weil ich Appetit auf Erdbeeren habe und daran denke, am Wochenende wieder mal zum Flohmarkt zu gehen;-)

Eigentlich wollte ich über was ganz anderes posten: in - noch (mal sehen, was draus wird) - unregelmäßigen Abständen binde ich ab sofort einen Strauß thematisch interessanter Links, die mir bei Internet-Recherchen begegnet sind. Hier sind die ersten:

Eine sich etwas kraus und verstiegen lesende Pressemitteilung erreichte mich über newmax: die Literatur sei endlich auf dem Weg ins
Participation Age; dachte zunächst, ich hätte mich verlesen, aber steht da wirklich so: es geht um eine offene und zu allem Schreck auch noch vom Freistatt Bayern geförderte Plattform, die - wenn ich das krause Geschw. (sorry) einer Dame der Geschäftsführung richtig deute - die Absicht hegt, Autoren und "anderen Künstlern" einzureden, geistiges Eigentum und Kreativität miteinander zu teilen und mit gebündelter Energie und algorithmisch berechneter "dynamischer Preisfindung" (die Geschäftsführerin hat Informatik studiert und war früher Sales Managerin bei Amazon) als E-Book für Kindle & Co. an den Markt zu bringen. Mache sich jeder selber ein Bild. Der Webauftritt des Unternehmens namens
Litogo mitsamt seiner "Wikipockets" übereugt mich persönlich eher nicht, das ganze Ding ist zu gewollt und zu lollipop-kleinmädchenquietschbunt; im Grunde geht es um Ähnliches wie bei den guten alten Bezahlverlagen: um die Kitzelung der Eitelkeit von "Bestsellerautoren von morgen"; na ja. Bis das E-Book erwachsen ist, wird es noch durch so manche pubertäre Eskapade auffällig werden. Und jeder ist ein Künstler, wusste schon Joseph Beuys. Dass sich für mich Kreativität und staatliche Förderung prinzipiell ausschließen, ist Privatmeinung, kann man durchaus anders sehen.

Dass Amazon mal wieder zur rechten Zeit zugeschlagen und die beliebte E-Book-Application Stanza mitsamt ihres Schöpferunternehmens Lexcycle eingekauft hat, berichtet nach der Lektüre des entsprechenden Hausblogs des Unternehmens u.a.
Create or Die; auf Französisch gibt es entsprechende, ebenfalls auffallend zurückhaltende Infos bei NetEco: eine gute Gelegenheit, sich einmal vertieft mit der Welt des E-Business in Frankreich zu befassen.

E-Business in USA ist bekanntlich immer etwas lauter und für europäische Verhältnisse marktschreierischer als in Europa, auch auf dem Buchsektor: ein Beispiel dafür sind die nahezu überbordenden Aktivitäten des amerikanischen Gurus der Online-Antiquariatsszene Steve Weber: der Veteran der U.S. Airforce und studierte Journalist aus West Virginia nutzt nicht nur intensiv sämtliche Plattformen, die sich ihm bieten, als Marketinginstrumente in eigener Sache, bloggt, twittert und produziert Sachbücher im Selbstverlag, selbstverständlich auch als E-Book und im eigenen Amazon Store; seine Tipps zum Handeln mit gebrauchten und raren Büchern vom heimischen Schreibtisch aus sind ohne Frage brauchbar, informativ, bei aller Redseligkeit kein hohles Geschwätz, oft erfrischend simpel und gerade daher vermutlich so erfolgversprechend: näheres
hier:

Steve führt seinen seit Beginn seiner Selbstständigkeit als Online-Antiquar 2001 stetig wachsenden Erfolg nicht zuletzt auf eine simple Tatsache zurück: seine Unbefangenheit, mit der er die Sache einst angign: er sei halt nie ein hochtrabender Bücherwurm mit Rosinen im Kopf gewesen, sondern ein eher technikaffiner und allem Neuen aufgeschlossener Zeitgenosse mit Freude an Büchern, der aus dieser Freude ein ausgebautes Hobby und irgendwann eine Lebensexistenz machte; vielleicht in der Tat nicht der schlechteste Ansatz für Erfolg in diesem Business. Dass beim erfolgreichen Handeln mit alten Büchern nicht nur die richtige Nase, ein langer Atem und unermüdliches Suchen und Finden wesentlich sind, sondern gelegentlich schlicht Glück, verschweigt er nicht: die Geschichte mit dem vergessenen Körbchen unter einem Tisch bei einem Bibliotheksflohmarkt, in dem sich zwischen lauter Ramsch eine 100 Dollar-Buchperle fand, ist mir in der Form auch einmal widerfahren;-). Ansonsten gebe ich dem Guru recht: nicht vom dicken Geschäft mit millionenteuren Sammlerstücken träumen (an die kommt auch ein Amazon-Guru eher selten), sondern sich im mittleren Segment mit vielen Verkäufen eine solide und sichere Position schaffen; Ausreisser nach oben nicht ausgeschlossen.

Zum Schluss noch ein Blick auf eine ungewöhnliche Buchhandlung mit Antiquariat in Hoquiam im amerikanischen Bundesstatt Washington:
Jackson Street Books: im 9000 Einwohner-Städtchen mit Holzfällertradition, singt man zwar gerne in den entsprechenden Hemden volkstümlich-zeitkritische Lieder zur Gitarre zwischen Bücherregalen, ist aber ansonsten auf der Höhe der Zeit: mit Online-Handel, Bezahlen mit Pay Pal, Bloggen und sogar einem eigenen Auftritt bei Second Life, wo sie ebenfalls Bücher verkaufen; geht also doch beides, das Traditionelle und das Neue. Die als linksalternativ einzustufenden Macher von Jackson Street Books, ein Ehepaar mittleren Alters, verkaufen übrigens wie selbstverständlich alte und neue Bücher in einunddemselben Laden: mein Credo, in Deutschland leider nach wie vor nicht oder nur schamhaft realisierbar - wie lange noch?

Kleine, feine Buchhandlungen mit eigenen Überlebensstrategien und ungewöhnlichen Konzepten (ebensfalls mein Credo: die werden auch im Amazon-Age überleben, die gesichtslosen Ketten eher nicht) wird dieses Blog in loser Folge einige vorstellen: solche, die ich selber besucht habe (vielleicht irgendwann mal mit Podcast) und solche, die ich im Netz aufgestöbert habe.

Mein Buchtipp wird diesmal auf morgen verschoben - auch eine bekennende Nachteule wie ich muss mal schlafen und geht heute frueher als gewohnt zur Ruhe: zumal morgen wieder Trüffelsuche in Sachen Bücher angesagt ist;-). Als Bettlektüre liegt heute was Leichtes bereit: Hans J. Massaquoi (ein Angebot von buy-a-fine-book, meinem Amazon-Auftritt, ist auch dabei, und somit ist es dann doch noch ein Buchtipp;-)), eine leichte, aber nicht nervende Lektüre; gerade richtig nach einem anstrengenden Tag (und auch eine Erfolgsstory, die Mut macht und für ruhige Träume sorgt: nicht das Schlechteste, was man über ein Buch sagen kann); gute Nacht denn.