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Sonntag, 17. Mai 2009

Von Bookstore Tourism bis zu Science Fiction für Hollywood. Interessantes aus der Welt des Buchhandels, nicht nur antiquarisch.

Auf Deutsch: hier wieder ein paar interessante Links aus dem Themenkreis dieses Blogs:

1. Bei AbeBooks präsentiert ein existenzgründungsbewegter Bücherwurm eine interessante Geschäftsidee: Buchhandlungs-Tourismus (ich weiss, klingt irgendwie unschön, aber ein griffigeres Wort kommt mir nicht in den Sinn), auf Englisch geschmeidiger "bookstore tourism"; ein
Projekt des Amerikaners Larry Portzline aus Harrisburg, Hauptstadt von Pennsylvania: der sozusagen berufsmäßige Bücherwurm - professioneller Buchhändler oder Reiseunternehmer ist er nicht - , der auch in die Organisation literarischer Veranstaltungen involviert ist, hat so eine Art alternativen Tourismus im Auge und will Bücherwürmer, Literaturfreunde, Bibliothekare auf Betriebsausflug, Schulklassen etc. in kleinen oder größeren Gruppen mit Bussen zu den unabhängigen kleinen Buchläden der näheren und weiteren Umgebung transportieren, am liebsten USA-weit vernetzt.

Der studierte Geisteswissenschaftler, der sich selber der
"Graswurzelbewegung" (in den USA von der Wortbedeutung her nicht ganz so links-anarchistisch besetzt wie in Deutschland) zurechnet, hat über seine Unternehmensidee Bücher geschrieben und diverse Blogs und Auftritte in sozialen Internet-Netzwerken auf die Beine gestellt; das kann man sich alles von dem oben verlinkten AbeBooks-Feature aus zu Gemüte führen, daher verlinke ich das hier nicht weiter. Ganz so richtig "in trockenen Tüchern" scheint die an sich originelle Idee noch nicht zu sein: das Blog wirkt leicht eingeschlafen, der FaceBook-Auftritt ist beendet und irgendwie scheint aus der Sache die Luft raus zu sein. Ganz unriskant scheint sie in Zeiten des allgemeinen Buchhandlungen-Sterbens nicht zu sein. Für amerikanische Verhältnisse kann ich natürlich nicht sprechen, und das Angebot dort an kleinen, feinen und auch schrägen, eigensinnigen Buchläden selbst im Hinterwald ist nach wie vor beachtlich; beachtlicher zumindest als im eher betulichen Bücherland Deutschland. Doch die Zahl der kleinen, unabhängigen Buchläden ist auch in den USA spürbar geschrumpft.

Die Idee an sich hat was, zumal Larry Portzline es nicht bei den Buchläden bewenden lässt und die Buchwurmtouris in den angesteuerten Städten auch zu "literarischen Orten" (Schauplätze von Romanen, Geburtsorte und Wirkungsstätten von Schriftstellern, sehenswerte Bibliotheken, falls vorhanden etc..) führen will. Im kleineren Rahmen durchaus auch auf deutsche Verhältnisse übertragbar. Den Vorschlag, einfach mal Freunde und Bekannte zusammenzutrommeln und im Nachbarort auf Bücherladenreise zu gehen, finde ich zumindest sehr charmant. Wenn auch aus dem großen Hype nichts werden sollte.

2. Wer im Netz nach Literatur aus dem hohen Norden recherchieren will und bislang Schwierigkeiten hatte, seltenen schwedischen oder finnischen Werken im Original auf die Spur zu kommen, dem kann geholfen werden: mit
antikvariat.net: seit zehn Jahren stellt die skandinavische Sektion der ILAB (Int. League of Antiquarian Booksellers) den gesamten Warenbestand seiner Mitglieder wochenaktuell (immer montags mit ca. 10.000 neuen Titeln upgedated) zum online-Verkauf ins Netz; Verkehrsprache ist Englisch, umschaltbar in alle teilnehmenden Landessprachen (die nützlichen Fachbegriffe aus der Welt des Büchersammelns gibt´s leider nur auf Schwedisch). Federführende Gründernationen sind Schweden und Dänemark, Finnland und Norwegen schlossen sich später an (Island ist nicht aufgelistet).

Insgesamt nehmen 98 Antiquriate mit mehr als 1.500.000 Angeboten teil. Feinsuche nach Ländern, für Dänemark sogar nach gesonderten Angeboten in Kopenhagen und Aarhus, sowie gezielt bei den jeweiligen Migliedsunternehmen ist möglich, ebenso nach Jahrhunderten bis zurück ins 14.; Preisangabe wahlweise in jeder der skandinavischen Landeswährungen, US-Dollar, Euro oder japanischen Yen möglich. Bestellt werden kann direkt über die Datenbank. Ein Angebot, das durch Klarheit und Beschränkung auf das Wesentliche ohne viel Schnickschnack und unter Verzicht auf (Eigen-)Werbung (selbst die farbigen Darstellungen der Buchcover lassen sich auf Wunsch per Klick entfernen) besticht; Vorbildcharakter.

3. Eine der charmantesten und vom Anspruch her engagiertesten Buchhandlungen Deutschlands findet sich im Ruhrgebiet, und zwar in seinem schönsten und untypischsten Zipfel in Richtung Rheinland, im altehrwürdig-idyllischen
Werden: die Kinderbuchhandlung Schmitz junior, ein Ableger der gleichnamigen Stadtteilbuchhandlung. Auf 250 Quadratmetern einer ehemaligen alten Druckerei machen sich Vollsortiment, Schnäppchen und allerlei Überraschungen breit, eine Räuberhöhle, ein Kinderkaufladen und eine funktionstüchtige alte Heidelberger Einfarben Druckmaschine, die so aussieht; 7000 eingetragene Mitglieder zählt laut Website der hauseigene Kinderclub; Junioren ohne Eltern, heisst es, sind als Gäste sehr gerne gesehen, auch bei Lesungen, Vorlesestunden und Workshops. Für soviel Engagement gab´s von einer Fachzeitschrift 2005 die Auszeichnung als "Buchhandlung des Jahres" in der Kategorie Spezialbuchhandlung. Eine Zierde für meine Geburtsstadt Essen, die ja wahrlich nicht arm an ausgefallenen Buchhandlungen ist (davon später einmal mehr).

4. Nicht Kinder, sondern Hollywoodstars als Kunden haben der Amerikaner David Aronovitz und seine Frau Nancy aus Michigan: seit fast 35 Jahren betreiben die zwei auf einem abgelegenen Farmhaus irgendwo im ländlichen Nirgendwo weit draussen vor den Toren der Autostadt Detroit ein kleines Antiquariat mit erstklassigem Ruf: The Fine Books Company. Was als Hobby begann, wurde zum kleinen Spezialunternehmen vornehmlich für seltene bis extrem seltene Erstausgaben von SF-Literatur der Crème amerikanischer und britischer Autoren: mit Hollywood unter den Stammkunden, immerhin auch Tom Cruise. Studios bestellen bei Aronovitz seltene Erstausgaben als Geschenk für ihre Stars, Produzenten oder Regisseure. Gerühmt werden vor allem neben Aronovitz´ antiquarischer Seriosität und Sorgfalt seine profunden Kenntnisse vor allem der Science Fiction-Literatur und ihrer sehr speziellen Szene: ein Liebhaber und Amateur im wahrsten Sinne des Wortes wurde zum spezialisierten Vollprofi; weitere Schwerpunkte sind Kinder- und Kriminalliteratur.

Wenn man den online einsehbaren spannenden aktuellen Sf-Katalog von Fine Books Company studiert, erkennt man rasch, das ist nicht nur die übliche Lobhudelei der Lokalpresse: die kleinen, aber sehr sorgfältigen Beschreibungen der aufgelisteten Bücher gehen immer auch mit ein, zwei Sätzen auf den literaturgeschichtlichen Stellenwert des Buches ein; eine kleine Zeitreise durch die Welt der Science Fiction. Eingestimmt von Boris Karloff kann der Interessierte hier stöbern und neben teuren Sammlerstücken durchaus auch ein Schnäppchen für rund 18$ machen. Die besondere Liebe des Lesers, der zum Sammler und dann Händler von Sf-Literatur wurde, gehört Altmeister Robert A. Heinlein, aus dessen Oeuvre Aronovitz zahlreiche z.T. signierte Erstausgaben besitzt.

Neuen Herausforderungen im Internet-Zeitalter muss sich auch dieser erfolgreiche Spezial-Antiquar stellen: seit Jahren arbeitet er eng mit AbeBooks zusammen; und er nimmt die Widrigkeiten im Preisduell mit Hobby-"Wohnzimmerantiquaren" gelassen und mit Humor: immerhin biete sich ihm jetzt die nie geahnte Möglichkeit, Bücher bis nach Singapur und in den Sudan zu verkaufen. Seine Nische auf dem platten Land bei Detroit wird dieser Antiquar alter Schule noch lange besetzt halten können.

Montag, 4. Mai 2009

Hochpreisiges bei AbeBooks, Godlfunde in Edinburgh und der letzte Band in Kassel. Handel mit Büchern online, klassisch und querbeet. Ein Streifzug.

Auf Deutsch: heute wieder ein paar lesenwerte Links:

Das ursprünglich in Kanada beheimatete Online-Marktplatzangebot für gebrauchte, antiquarische und rare (auch neue) Bücher, AbeBooks, hat ein liebevoll und engagiert gestaltetes Blog von großer Themenvielfalt, das nicht nur den AbeBooks-Kunden interessiert. Da nicht alle dort verfassten Beiträge für Leser ausserhalb des angloamerikanischen Buch- und Lesekulturkreises spannend sind, liste ich dieses Reading Copy Book Blog nicht in meiner Blogrolle, sondern ganz unten auf der Seite in der Linkliste. Interessant auch für internationale Leser ist die Präsentation der spektakulärsten AbeBooks-Verkäufe im Monat April 2009:

Spitzenreiter ist ein Klassiker des nordamerikanischen schwul-lesbischen Literaturkanons: Imre: A Memorandum, die Geschichter einer Liebe unter Männern in Romanform. Beachtliche 12000$ brachte die rare, im Privatdruck erschienene Erstausgabe aus dem Jahr 1906, dem Anbieter ein. Der Autor, Edward Irenäus Prime-Stevenson, der unter dem nom de plume Xavier Mayne schrieb, gilt bis heute unter amerikanischen homosexuellen Literaturfreunden als Ikone und wird geschätzt wegen seiner einfühlsamen und sensiblen Schilderung einer im k.u.k.- Ungarn angesiedelten Liebesgeschichte unter Männern; der Roman wird bis heute in neuen Ausgaben gedruckt und ist u.a. bei AbeBooks und bei Amazon zu erschwinglichen Preisen (unter 20$) erhältlich. Prime-Stevenson, über dessen weiteres literarisches Wirken sonst wenig bekannt ist, starb 1942 mit Anfang 80 in seiner Wahlheimat im schweizerischen Lausanne.

Interessant auch ein Blick auf die Top Ten der am teuersten verkauften Bücher bei AbeBook im vergangenen Monat insgesamt: zu nennen wären u.a. eine Erstausgabe von William Faulkners Roman Sartoris aus dem Jahr 1929 (5000$) und eine 24bändige Biografie Winston Churchills (über 5000$) in einer Auflage aus jüngerer Zeit sowie seltene Erstausgaben aus den Bereichen Militärgeschichte, Physik und Botanik sowie das Werk eines islamischen Rechtsgelehrten aus dem 13. Jahrhundert (brachte trotz fehlender erster Blätter immerhin noch 4000$). Unter den hochkarätigsten Verkäufen im gesamten Jahr 2008 findet sich auch eine Erstausgabe einer englischen Übersetzung von Grimms Märchen für immerhin 11000$; hier die gesamte Liste; auch eine originale Schreibmaschine von George Bernard Shaw gehört dazu: für knapp unter 8000$ fand sich ein kauffreudiger Fan des irischen Autors.

Das meiste Geld bringen allerdings nach wie vor von der Autorin handsignierte Erstausgaben der Harry Potter-Bände aus der Feder von Joan K. Rowling; natürlich nur im englischen Original.

Eine sehr schöne, laufend aktualisierte Seite, die sich ausschließlich dem raren Buch, seinem Sammeln und seinem Kauf und Verkauf widmet, betreibt Lee Jay Stoltzfuß: Rare Book News; Der Herausgeber ist Antiquar in Pennsylvania und betreibt auch eine wunderschöne und äußerst spannende Seite zur Geschichte der Buchdruckerkunst in seinem Heimatcounty: The Black Art. A History of Printing in Lancaster County, PA..

Die täglich aktualisierten Rare Book News bieten neben feuilletonistisch aufbereiteten, auch den Laien ansprechenden Fachartikeln auch Kurioses: so etwa die Story über die Mitarbeiterin eines christlichen Charity Shops (in etwa deutschen Diakonieläden entsprechend) in Edinburgh, die in einem anonym vor ihrer Türschwelle abgegebenen Spendensack mit gebrauchten Büchern zwei Schätzchen fand: wertvolle Erstausgaben aus den Jahren 1796 bzw. 1803, darunter ein Buch aus der Feder der bekannten schottischen Poetin Anne Grant. Die Bücher sollen nach Einschätzung eines Edinburgher Antiquars je um die 1000 englische Pfund (in Euro etwas mehr) wert sein: jetzt warten die Raritäten auf ihren hoffentlich erfolgreichen Verkauf für karitative Zwecke beim anstehenden Kirchenfest in der schottischen Bücherstadt.

Die kleine erstaunliche Geschichte findet sich im Original hier. Einen solchen Fund habe ich bei meinen zahlreichen Streifzügen durch Diakonie- und andere deutsche Charity Shops, wo man im kleineren Rahmen tatsächlich gelegentlich einmal für sehr kleines Geld auf Gold stößt, bislang noch nicht gemacht.

Zum Schluss ein Artikel aus der Lokalausgabe Kassel der Hessischen Allgemeinen Zeitung, der traurig stimmt und das leider derzeit in Deutschland so typische unrühmliche, sang- und klanglose Abtreten eingesessener Buchhandlungen klassischen Stils an einem Kasseler Beispiel beschreibt: die Buchhandlung Vaternahm, für Generationen von Bücherfreunden in der nordhessischen Metropole ein Begriff für Qualität und gerühmt wegen ihrer gutsortierten Kinder- und Jugendbuchabteilung, schliesst nach rund 50 Jahren vor Ort ihre Pforten; ein weiteres, ähnlich traditionsreiches Unternehmen, Lometsch, hatte bereits im vergangenen Jahr das letzte Buch aus dem Regal genommen; jetzt heisst es "Schlussverkauf" zu Schnäppchenpreisen in der allerletzten "kleinen" Buchhandlung in Kassel; Grund: Insolvenz. Eigentlich nicht so glücklich für die Stadt der Kultur und Kunst (Stichwort: "documenta"), die sich ausgerechnet auf zwei Ikonen der deutschen Literatur berufen kann: die Brüder Grimm. Das ist nun irgendwie doch peinlich und nicht nur Kasseler meinen: das musste nicht sein. Nicht immer gehen solche Entwicklungen auf das Konto des bösen Vielfrass Amazon; manchmal sind sie schlicht hausgemacht. Hier der Artikel über ein trauriges letztes Kapitel. Der Run auf die Regale soll gigantisch gewesen sein. Bis Ende des Monats können Schnäppchenjäger noch in Kassel an der Oberen Königstraße auf Beutezug gehen. Andere Läden der nordhessisch-südniedersächsischen Mini-Kette Vaternahm bleiben laut Aussage der Insolvenzverwalter bis auf weiteres erhalten; und die Website gibt´s natürlich auch noch; wenn die inhaltlich und optisch altjüngferlich-biedere Langweiligkeit und Verstaubheit dieses Webauftritts alledings symptomatisch sein sollte, dann wundert mich das unrühmliche Ende eher nicht....

Dienstag, 28. April 2009

Participation Age, Second Life und ein Guru aus dem Online-Antiquariat: Neue Wege im Bücherland.

Wenn ich gelegentlich auf dem Flohmarkt um die Ecke nach Büchern stöbere, nervt mich stets der türkische Billige Jakob für Obst und Gemüse, der kurz vor Toresschluss die letzten schrödeligen Erdbeeren aus Litauen für 50 Cent das Pfund an den Mann bringen will: "Billig, billig, billig! Angebot, Angebot, Angebot!" schreit er mit heiserer Stimme gebetsmühlenartig in der Warteschleife, und die KundInnen strömen und schlagen sich um die Plastikschälchen mit zweifelhaftem rotzerquetschtem Inhalt. Er macht das zwei Mal die Woche (und an den anderen Tagen vermutlich andernorts), endet immer bei "billig, billig, billig" und 50 Cent und muss, da er ja immer wieder mit gigantischen Obstbergen wiederkommt, dennoch seinen Schnitt machen.

So ähnlich muss es den Kollegen von der Verpackungsspekulantenmafia bei Amazon und Co. gehen, die für 0,1 Cent "verlagsfrische" Bücher im Internet verhökern, natürlich im "luftgepolsterten Umschlag"; auch sie werden ihren Schnitt machen mit Masse statt Klasse - anders als der Kollege vom Gemüsestand, bei dessen Ware der Kunde den Gammel ja deutlich sieht, verschweigen sie selbstredend gerne die Mängel ihrer "frischen" Exemplare. Die Käufer solcher Angebote sind, scheint´s, ohnehin eher an den wattierten Umschlägen und an den Clips interessiert als am Inhalt. Warum ich jetzt gerade an diese "Kollegen" (gerne treten sie unter den klassenspezifischen Namen wie "Mannis Bücherkiste" oder "DasBilligeBuch" in Erscheinung) denken muss, weiss ich auch nicht; vermutlich, weil ich Appetit auf Erdbeeren habe und daran denke, am Wochenende wieder mal zum Flohmarkt zu gehen;-)

Eigentlich wollte ich über was ganz anderes posten: in - noch (mal sehen, was draus wird) - unregelmäßigen Abständen binde ich ab sofort einen Strauß thematisch interessanter Links, die mir bei Internet-Recherchen begegnet sind. Hier sind die ersten:

Eine sich etwas kraus und verstiegen lesende Pressemitteilung erreichte mich über newmax: die Literatur sei endlich auf dem Weg ins
Participation Age; dachte zunächst, ich hätte mich verlesen, aber steht da wirklich so: es geht um eine offene und zu allem Schreck auch noch vom Freistatt Bayern geförderte Plattform, die - wenn ich das krause Geschw. (sorry) einer Dame der Geschäftsführung richtig deute - die Absicht hegt, Autoren und "anderen Künstlern" einzureden, geistiges Eigentum und Kreativität miteinander zu teilen und mit gebündelter Energie und algorithmisch berechneter "dynamischer Preisfindung" (die Geschäftsführerin hat Informatik studiert und war früher Sales Managerin bei Amazon) als E-Book für Kindle & Co. an den Markt zu bringen. Mache sich jeder selber ein Bild. Der Webauftritt des Unternehmens namens
Litogo mitsamt seiner "Wikipockets" übereugt mich persönlich eher nicht, das ganze Ding ist zu gewollt und zu lollipop-kleinmädchenquietschbunt; im Grunde geht es um Ähnliches wie bei den guten alten Bezahlverlagen: um die Kitzelung der Eitelkeit von "Bestsellerautoren von morgen"; na ja. Bis das E-Book erwachsen ist, wird es noch durch so manche pubertäre Eskapade auffällig werden. Und jeder ist ein Künstler, wusste schon Joseph Beuys. Dass sich für mich Kreativität und staatliche Förderung prinzipiell ausschließen, ist Privatmeinung, kann man durchaus anders sehen.

Dass Amazon mal wieder zur rechten Zeit zugeschlagen und die beliebte E-Book-Application Stanza mitsamt ihres Schöpferunternehmens Lexcycle eingekauft hat, berichtet nach der Lektüre des entsprechenden Hausblogs des Unternehmens u.a.
Create or Die; auf Französisch gibt es entsprechende, ebenfalls auffallend zurückhaltende Infos bei NetEco: eine gute Gelegenheit, sich einmal vertieft mit der Welt des E-Business in Frankreich zu befassen.

E-Business in USA ist bekanntlich immer etwas lauter und für europäische Verhältnisse marktschreierischer als in Europa, auch auf dem Buchsektor: ein Beispiel dafür sind die nahezu überbordenden Aktivitäten des amerikanischen Gurus der Online-Antiquariatsszene Steve Weber: der Veteran der U.S. Airforce und studierte Journalist aus West Virginia nutzt nicht nur intensiv sämtliche Plattformen, die sich ihm bieten, als Marketinginstrumente in eigener Sache, bloggt, twittert und produziert Sachbücher im Selbstverlag, selbstverständlich auch als E-Book und im eigenen Amazon Store; seine Tipps zum Handeln mit gebrauchten und raren Büchern vom heimischen Schreibtisch aus sind ohne Frage brauchbar, informativ, bei aller Redseligkeit kein hohles Geschwätz, oft erfrischend simpel und gerade daher vermutlich so erfolgversprechend: näheres
hier:

Steve führt seinen seit Beginn seiner Selbstständigkeit als Online-Antiquar 2001 stetig wachsenden Erfolg nicht zuletzt auf eine simple Tatsache zurück: seine Unbefangenheit, mit der er die Sache einst angign: er sei halt nie ein hochtrabender Bücherwurm mit Rosinen im Kopf gewesen, sondern ein eher technikaffiner und allem Neuen aufgeschlossener Zeitgenosse mit Freude an Büchern, der aus dieser Freude ein ausgebautes Hobby und irgendwann eine Lebensexistenz machte; vielleicht in der Tat nicht der schlechteste Ansatz für Erfolg in diesem Business. Dass beim erfolgreichen Handeln mit alten Büchern nicht nur die richtige Nase, ein langer Atem und unermüdliches Suchen und Finden wesentlich sind, sondern gelegentlich schlicht Glück, verschweigt er nicht: die Geschichte mit dem vergessenen Körbchen unter einem Tisch bei einem Bibliotheksflohmarkt, in dem sich zwischen lauter Ramsch eine 100 Dollar-Buchperle fand, ist mir in der Form auch einmal widerfahren;-). Ansonsten gebe ich dem Guru recht: nicht vom dicken Geschäft mit millionenteuren Sammlerstücken träumen (an die kommt auch ein Amazon-Guru eher selten), sondern sich im mittleren Segment mit vielen Verkäufen eine solide und sichere Position schaffen; Ausreisser nach oben nicht ausgeschlossen.

Zum Schluss noch ein Blick auf eine ungewöhnliche Buchhandlung mit Antiquariat in Hoquiam im amerikanischen Bundesstatt Washington:
Jackson Street Books: im 9000 Einwohner-Städtchen mit Holzfällertradition, singt man zwar gerne in den entsprechenden Hemden volkstümlich-zeitkritische Lieder zur Gitarre zwischen Bücherregalen, ist aber ansonsten auf der Höhe der Zeit: mit Online-Handel, Bezahlen mit Pay Pal, Bloggen und sogar einem eigenen Auftritt bei Second Life, wo sie ebenfalls Bücher verkaufen; geht also doch beides, das Traditionelle und das Neue. Die als linksalternativ einzustufenden Macher von Jackson Street Books, ein Ehepaar mittleren Alters, verkaufen übrigens wie selbstverständlich alte und neue Bücher in einunddemselben Laden: mein Credo, in Deutschland leider nach wie vor nicht oder nur schamhaft realisierbar - wie lange noch?

Kleine, feine Buchhandlungen mit eigenen Überlebensstrategien und ungewöhnlichen Konzepten (ebensfalls mein Credo: die werden auch im Amazon-Age überleben, die gesichtslosen Ketten eher nicht) wird dieses Blog in loser Folge einige vorstellen: solche, die ich selber besucht habe (vielleicht irgendwann mal mit Podcast) und solche, die ich im Netz aufgestöbert habe.

Mein Buchtipp wird diesmal auf morgen verschoben - auch eine bekennende Nachteule wie ich muss mal schlafen und geht heute frueher als gewohnt zur Ruhe: zumal morgen wieder Trüffelsuche in Sachen Bücher angesagt ist;-). Als Bettlektüre liegt heute was Leichtes bereit: Hans J. Massaquoi (ein Angebot von buy-a-fine-book, meinem Amazon-Auftritt, ist auch dabei, und somit ist es dann doch noch ein Buchtipp;-)), eine leichte, aber nicht nervende Lektüre; gerade richtig nach einem anstrengenden Tag (und auch eine Erfolgsstory, die Mut macht und für ruhige Träume sorgt: nicht das Schlechteste, was man über ein Buch sagen kann); gute Nacht denn.